- Schwangerschaft: Von der Befruchtung zum Fetus
- Schwangerschaft: Von der Befruchtung zum FetusJedes neugeborene Mädchen kommt mit etwa zwei Millionen Eizellen auf die Welt. In den beidseits angelegten Eierstöcken (Ovarien), die in den Industrieländern im Alter von elf bis dreizehn Jahren funktionsfähig werden und daher noch unausgereift sind, befindet sich schon das gesamte reproduktive Potenzial dieses weiblichen Menschen. Bei neugeborenen Jungen werden die Spermien erst im Verlauf der Pubertät gebildet. In den Eierstöcken der Mädchen gehen in den ersten Lebensjahren bereits sehr viele Eizellen zugrunde, sodass mit etwa sieben Jahren nur noch ungefähr 300 000 vorhanden sind. Hier erkennt man mit welchem Sicherheitspotenzial die Biologie der Lebewesen ausgestattet ist.Eizellen und SpermienDie Eizelle mit der sie umgebenden schützenden Flüssigkeit wird Follikel oder Eibläschen genannt. Zu Beginn eines jeden normalen Menstruationszyklus reifen zunächst mehrere Follikel heran, von denen jedoch meist nur eines bis zum Eisprung überlebt, die anderen gehen zugrunde. Auch hier findet sich wieder das Prinzip der »Verschwendung«. Da biologische Organismen aber unter einem hohen Kosten-Nutzen-Druck stehen, müssen wir davon ausgehen, dass die »verschwenderische« Bereitstellung einen Sinn hat und notwendig ist. Möglicherweise wird aus den verschiedenen heranreifenden Follikeln nur der tauglichste zur vollen Reifung zugelassen. Man könnte sich auch vorstellen, dass von den nicht zum Zuge kommenden Follikeln unterstützende Funktionen für den erfolgreichen Konkurrenten ausgehen.Ist der Follikel ausgereift, kommt es zum Eisprung: Der Follikel platzt und die darin befindliche Eizelle wird aus dem Eierstock ausgestoßen und von den krakenartigen Enden eines der beiden Eileiter aufgefangen. Im schützenden Kanal des Eileiters wird die Eizelle von sich bewegenden Flimmerhärchen langsam in Richtung Gebärmutter gerollt, also den Spermien entgegenbewegt.Bei der Spermienproduktion des Mannes ist die verschwenderische Überproduktion noch deutlicher. Pro Milliliter Sperma werden im Normalfall zwanzig Millionen Spermien produziert, aber nur einem von ihnen wird es gelingen, die reife Eizelle zu befruchten. Allerdings benötigt das Siegerspermium die anderen: Nur im Pulk gelingt der Aufstieg aus dem sauren, für die Spermien gefährlichen Scheidenmilieu durch die Gebärmutter in den Eileiter. Ein einzelnes Spermium würde schon zu Beginn dieser Marathonstrecke zugrunde gehen. Bei der Ejakulation werden bis zu 100 Millionen Spermien im oberen Teil der Scheide (Vagina) und am Eingang des Gebärmutterhalses deponiert.Obwohl die Spermien eines Ejakulats in der Lage sind, das saure Scheidenmilieu für circa 30 Minuten abzupuffern, sterben etwa 99 Prozent von ihnen bereits in der Scheide ab. Nur jene überleben, die schnell in die Einbuchtung des Gebärmutterhalskanals gelangen. Spermien können, wenn sie erst einmal in die weniger bedrohlichen Zonen jenseits der Scheide aufgestiegen sind, im Organismus der Frau vier bis sechs Tage leben; das reife Ei dagegen ist nur 12 bis 24 Stunden befruchtungsfähig, das heißt, die fruchtbaren Tage im Zyklus einer Frau reichen von vier bis sechs Tagen vor dem Eisprung bis zu einem, höchstens zwei Tagen nach dem Eisprung.Der lange Weg zum ZielDer Weg der Spermien durch die Gebärmutter und von dort in die langen Eileiter ist ungleich länger und strapaziöser als der der Eizelle, denn die Spermien müssen sich aus eigener Kraft bewegen. Wie bereits besprochen, sind Männer und Frauen prinzipiell immer paarungsbereit. Bei Frauen ist die Libido, das heißt ihr sexuelles Interesse, vor allem kurz vor und nach der Periode für etliche Tage bis um den Zeitpunkt des Eisprungs erhöht. Während des Eisprungs ist der aus dem Muttermund der Gebärmutter fließende klare, flüssige Schleim von besonderer Beschaffenheit. Er verliert dann seinen sauren und damit für die Spermien gefährlichen Charakter und wandelt sich zu einer leicht alkalischen Flüssigkeit. Damit wird den Spermien das Eindringen in den Gebärmutterhalskanal erleichtert. Außerdem ist der Muttermund zum Zeitpunkt des Eisprungs mehr als sonst geöffnet, was den Aufstieg der Spermien begünstigt. Im Gebärmutterhalskanal verändert sich die Spermienhülle (es erfolgt die Kapazitation), sodass das Spermium besser der Eizelle entgegenschwimmen kann.Der Spermientransport zur Eizelle gliedert sich in eine schnelle und eine langsame Phase. Bereits fünf Minuten nach dem Geschlechtsverkehr befinden sich die ersten Spermien im Eileiter. Vermutlich ist das rhythmische Zusammenziehen von Scheide, Gebärmutter und Eileiter für den schnellen Aufstieg der Spermien mitverantwortlich. Diese rhythmischen Bewegungen sind typischer Bestandteil des weiblichen Orgasmus, der offenbar eine für die Empfängnis förderliche Wirkung hat, aber nicht unbedingt notwendig ist. Auch ohne einen Orgasmus kommt es zu einem relativ schnellen Spermientransport. Diese langsamere Phase des Aufstiegs der Spermien beruht auf ihrer Eigenbewegung. Sie besiedeln die Drüsen des Gebärmutterhalskanals und steigen von dort in kleinen Portionen in etwa vier bis sieben Stunden zum Eileiter auf.Im Gebärmutterhalskanal können die Spermien mehrere Tage überleben und befruchtungsfähig bleiben. Daher entstehen die meisten unerwünschten Schwangerschaften durch einen Beischlaf etliche Tage vor dem Eisprung, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Frauen eine maximale Libido haben. Auch an dieser Tatsache lässt sich erkennen, dass die Steuerung der äußerst komplexen biologischen und psychologischen Faktoren, die zu einer Empfängnis führen können, besonders sinnreich angelegt ist. Frau und Mann, die in unserer Kultur im Normalfall grundsätzlich über die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage der Frau informiert sind, wägen sich im Glauben, dass der Eisprung ja noch weit weg und eine Befruchtung daher nicht möglich sei.Die Spermien durchschwimmen die gesamte Gebärmutterhöhle und biegen dann in einen der Eileiter ein. Nur auf einer Seite wartet das Ei auf sie. Löst sich die Eizelle vom linken Eierstock, wird sie in der Regel auch über den linken Eileiter in Richtung Gebärmutter weitergeleitet.Die BefruchtungDas Zusammentreffen der Eizelle mit dem Spermium, die eigentliche Befruchtung, findet im Eileiter statt. Das Spermium »dockt« nach der akrosomalen Reaktion zunächst an Zellen einer äußeren Hüllschicht »an«, die vom Follikel stammen. Nach dem Andocken durchdringt das Spermium die Schutzhüllen, überwindet anschließend einen spaltartigen Zwischenraum, um dann endlich in die Eizelle vordringen zu können. Die Verschmelzung der beiden Zellmembranen von Spermium und Eizelle ist die eigentliche Befruchtung (Fertilisation). Sobald das zuerst angekommene Spermium die äußeren Hüllschichten der Eizelle durchdrungen hat, ist das Ei in der Regel für alle weiteren Spermien gesperrt, da sich die Hülle verändert und kein anderes Spermium mehr eindringen kann. Unreife oder gealterte Eizellen werden oft von mehreren Spermien befruchtet. Es entstehen Zwillinge oder Mehrlinge, die jedoch nicht lebensfähig sind und meist im dritten Schwangerschaftsmonat sterben.In seltenen Fällen reifen mehrere Eizellen gleichzeitig heran, die dann auch zur selben Zeit »springen«. Diese können bei dem großen Angebot an Spermien alle befruchtet werden und sich gegebenenfalls auch einnisten. Die neun Monate später geborenen Mehrlinge sind aber nicht näher miteinander verwandt als normale Geschwister. Die Ursache für solch einen mehrfachen Eisprung liegt zum einen in einer ererbten Veranlagung, zum anderen spielt auch das Alter der Mutter eine Rolle. Bei älteren Schwangeren (wie sie zunehmend in den europäischen Ländern vorkommen) sind vermehrt doppelte oder gar dreifache Eisprünge zu beobachten. Nach einer Hormonbehandlung, der sich Frauen wegen eines bisher nicht erfüllten Kinderwunsches unterziehen, kommt es häufig zu einer Überstimulation der Eierstöcke mit mehrfachen Eisprüngen und damit nicht selten zu Mehrlingsgeburten. Die 1998 in den USA geborenen Achtlinge sind der bisherige »Weltrekord«. Unter natürlichen Umständen könnte eine solche Schwangerschaft niemals vorkommen. Die Rate der höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften, also Drillinge, Vierlinge und darüber hinaus, ist auch durch häufigere künstliche Befruchtungen dramatisch gesteigert worden. Ohne ein äußerst entwickeltes System der Medizin wären solche Mehrlinge weder entstanden noch wären sie überlebensfähig.Die Entwicklung des EmbryosNach der Befruchtung, die etwa sechs bis zwölf Stunden nach dem Eisprung stattfindet, laufen die Reifungsprozesse in der aktivierten Eizelle auf Hochtouren. Der einfache (haploide) Chromosomensatz des männlichen Vorkerns vereinigt sich mit dem des weiblichen; es entsteht der doppelte (diploide) Chromosomensatz. Die befruchtete Eizelle, die Zygote, beginnt sich zu teilen und gleichzeitig zu furchen. Es entsteht ein Zweizeller, dann ein Vierzeller, ein Achtzeller usw., da sich jede gerade neu entstandene Zelle wieder teilt. Die Zahl der neuen Zellen nimmt so exponentiell zu. Während der Furchungsteilungen wird die Zygote über den bereits beschriebenen Mechanismus der nach abwärts schlagenden Flimmerhärchen in die Gebärmutter transportiert. Die Wanderung durch den Eileiter dauert 48 bis 72 Stunden.Auf dem Weg in die Gebärmutter hat sich die Zygote so oft geteilt, dass sie unter dem Mikroskop wie ein rundes Häufchen voller Trauben aussieht und daher Morula genannt wird. Sie entwickelt sich zur Blastozyste, die aus zwei Teilen besteht, dem Embryoblasten — aus dem der Embryo selbst sich entwickelt — und dem Trophoblasten — der der Ernährung des Embryos dient und sich später zum Mutterkuchen ausbildet. Der Trophoblast wächst zunächst viel stärker als der Embryoblast. Das ist auch ausgesprochen sinnvoll, da zunächst die Ernährungsbasis gesichert sein muss, bevor ein weiteres Wachstum des Embryos stattfinden kann. Im Zentrum der Blastozyste liegt eine Höhle, aus der sich in der Folge der Fruchtsack entwickelt. Bis zu diesem Zeitpunkt ist bereits eine Woche seit der Befruchtung vergangen. Sie stand unter dem Motto »Tubenwanderung«, denn einen großen Teil dieser Zeit verbrachte der junge Embryo in der Tube, dem Eileiter. Eine Frau mit einem normalen 28-tägigen Menstruationszyklus, bei der der Eisprung genau in der Mitte, am 14. Zyklustag stattfindet, ist nun am 21. Tag ihres Zyklus angekommen.Manche Frauen ahnen, dass sie schwanger geworden sind. Genau wissen können sie es nicht, da die Periode erst in einer weiteren Woche zu erwarten ist. Möglicherweise sind manche Frauen aber in der Lage, die sich bereits jetzt abspielenden, wenn auch noch sehr geringfügigen Veränderungen in ihrem Körper wahrzunehmen. Selbst mit einem modernen Schwangerschaftstest, der das Schwangerschaftshormon HCG (human chorion gonadotropin) im Harn nachweist, ist die Schwangerschaft jetzt noch nicht objektiv festzustellen. Die bedeutungsvollen Prozesse, die sich bisher abgespielt haben, haben also zu diesem Zeitpunkt noch keine messbare Auswirkung.Der Embryo nistet sich einIn der zweiten Woche nach der Befruchtung gräbt sich der junge Embryo in die Gebärmutterschleimhaut ein. Sie muss zuvor mithilfe des im Eierstock gebildeten Gelbkörperhormons Progesteron gut vorbereitet sein. Wenn dieser Vorgang nicht ausreichend gut funktioniert, kann die Gebärmutterschleimhaut in der Sekretionsphase nicht hoch genug aufgebaut werden und enthält dann auch zu wenige Drüsen, sodass der Embryo keine idealen Bedingungen vorfindet. Er kann sich nicht einnisten, wird ausgestoßen und es kommt zu einer eventuell leicht verspäteten und verstärkten Periodenblutung. Die betreffende Frau hat in den meisten Fällen von dieser ganz frühen Fehlgeburt nichts wahrgenommen.Die Funktion des Eierstocks ist also keinesfalls in dem Moment vorüber, in dem eine reife Eizelle ihn beim Eisprung verlassen hat. Aus der Follikelhülle bildet sich nach dem Eisprung der Gelbkörper. Sein Name rührt von der gelben Farbe her. Er ist der Produktionsort des wichtigen Schwangerschaftshormons Progesteron. Der Eierstock ist also eine »Hormonfabrik«, die Gebärmutter eines der »Erfolgsorgane«, auf die dieses Hormon einwirkt. Der Eierstock produziert aber nur in ganz enger und sehr komplizierter Rückkoppelung mit den Steuerungsorganen im Gehirn (insbesondere in der Hypophyse) seine Botenstoffe, die Hormone. Stressbelastung mit Ausschüttung von entsprechenden Stresshormonen oder Störungen der Schilddrüsenfunktion stören die sehr sensible Gelbkörperphase. Der Organismus der Frau verfügt also bereits kurz nach der Befruchtung über eine biologisch sinnvolle Steuerung, in Situationen anhaltenden Stresses eine Schwangerschaft abzubrechen. Von den frühen Stadien der Embryonalentwicklung wird ein außerordentlich großer Anteil ohne jeden Eingriff von außen vom Körper der Frau ausgestoßen. So wird sichergestellt, dass jene Embryonen, die in der Gebärmutter heranreifen, nach Möglichkeit keine biologischen Schädigungen aufweisen. Allerdings funktioniert der biologische Kontrollmechanismus nicht mit hundertprozentiger Sicherheit: Einige spezifische Fehler, wie Abweichungen im Chromosomensatz (zum Beispiel die Trisomie 21, die zum Down-Syndrom führt), werden nicht unbedingt als Fehlanlagen erkannt.Bei der Einnistung ist der Embryo 0,1—0,2 mm groß und 7—12 Tage alt. Etwa am 12. Tag nach der Befruchtung nimmt er Kontakt mit dem mütterlichen Kreislauf auf. Dabei kann es zu einer leichten Blutung kommen. Sie wird Einnistungs- oder Implantationsblutung genannt und fällt praktisch genau auf den Zeitpunkt der erwarteten Menstruationsblutung. In solchen Fällen können Frauen annehmen, dass sie nicht schwanger seien, da es schließlich eine Blutung gegeben hat. Wenn dann bei einem späteren Besuch in einer Frauenarztpraxis die Einnistungsblutung als vermeintlich letzte Periodenblutung angegeben wird, kommt es zu einer falschen Berechnung des Beginns der Schwangerschaft und damit auch des Geburtstermins. Mithilfe einer Ultraschallsonde, die in die Scheide eingeführt wird, kann man selbst sehr kleine Embryonen genau ausmessen und aus der Größe dann ihr Alter bestimmen. Ein absolut genaues Ergebnis kann der Frauenarzt jedoch auch mit dieser neuen Form der Diagnostik nicht erzielen, da die Lage des Embryos in der Gebärmutter mehr oder weniger günstig für die Ausmessung sein kann.Die gesamte Schwangerschaft dauert im Schnitt, gerechnet ab dem 1. Tag der letzten Menstruationsblutung, 280 Tage = 10· 28 Tage = 10 Mondmonate = 40 Wochen. Wie alle Prozesse in der Biologie unterliegt die Schwangerschaftsdauer aber natürlich deutlichen Schwankungen. Deshalb ist die Berechnung selbst bei korrekten Angaben (vor allem für die letzte Periode) nur eine Schätzung. Häufig gibt es auch Verwirrung, weil die 10 Mondmonate mit den 9 Kalendermonaten verwechselt werden. Deshalb hat es sich eingebürgert, nicht mehr von Schwangerschaftsmonaten, sondern von der Schwangerschaftswoche zu sprechen.Die ersten Organe entstehenZurück zum Embryoblast, der sich gerade in sein »Nest« in der Gebärmutterschleimhaut abgesenkt hat. Er sieht in diesem Stadium scheibenförmig aus und wird daher Keimscheibe genannt. Diese besteht aus dem Ektoderm und dem Entoderm, das heißt einer äußeren und einer inneren Schicht. Später kommt noch ein drittes Keimblatt hinzu, das zwischen Ekto- und Entoderm liegende Mesoderm. Auch in dieser Phase bleibt der Embryoblast im Wachstum immer noch stark hinter dem Trophoblasten zurück.In der 3. Embryonalwoche, also der 5. Woche seit der letzten Regelblutung, haben die meisten Frauen das Ausbleiben der Menstruation bemerkt. Zu diesem Zeitpunkt entsteht die Fruchtblase mit ihren zwei Eihäuten, dem innen liegenden Amnion und dem außen liegenden Chorion. Die Fruchtblase ist mit Fruchtwasser gefüllt, das von den Eihäuten gebildet wird. Der Trophoblast ist nun so stark gewachsen, dass er nicht nur die Fruchthöhle gebildet hat, sondern auch die sich an einer Seite entwickelnde Plazenta, den Mutterkuchen. Der Embryo selbst ragt als winziges Gebilde über einen Haftstiel in die Höhle hinein. In der 4. Embryonalwoche, also in der 6. Schwangerschaftswoche, bildet sich der dem Amnion von außen anliegende Dottersack, der ähnlich aussieht wie das Hühnereiweiß und daher auch seinen Namen hat. Er dient der Ernährung des Embryoblasten, solange der Mutterkuchen noch nicht funktionsfähig ist. Mit Ultraschallgeräten kann man zu diesem Zeitpunkt meist problemlos die Fruchthöhle, manchmal sogar bereits den Dottersack nachweisen. Über dieses bildgebende Verfahren ist der Embryo selbst aber meist erst ab der 7. Schwangerschaftswoche zu sehen.Bereits etwa 21—23 Tage nach der Befruchtung, beginnt das embryonale Herz zu schlagen. Dieses Wunderwerk der Evolution arbeitet besser als jeder vom Menschen erfundene Motor: In einem 80 Jahre währenden Leben wird es über drei Milliarden Mal schlagen. Bis weit über den Zeitpunkt der Geburt hinaus schlägt das Herz des Kindes 120- bis 160-mal pro Minute, das heißt fast doppelt so schnell wie das Herz eines Erwachsenen. Die Schwangeren können etwa ab der 14./15. Schwangerschaftswoche den galoppartigen Rhythmus der Herztöne ihres Kindes über Ultraschall hören.Zurück zum 21.—23. Tag im Leben des Embryos. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das neu entstehende Leben gegenüber von außen einwirkenden Schädigungen (Strahlen, Chemikalien, Medikamente, Alkohol, Nikotin, Infektionen) noch sehr unempfindlich und widerstandsfähig. Möglicherweise ist das Folge einer sinnvollen biologischen Steuerung. Die Schwangeren können ja zu diesem Zeitpunkt höchstens ahnen, dass sie schwanger sind und stellen sich daher noch nicht in ihrer Lebensführung auf die Schwangerschaft ein. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt das »Alles-oder-nichts-Gesetz«. Entweder die Schädigung ist so groß, dass es sofort zum Absterben des Embryos und damit zu einer Fehlgeburt kommt, oder der schädliche Einfluss ist relativ gering und die embryonale Entwicklung geht völlig ungestört weiter. Erst wenn die Organbildung, zwischen dem Ende der 4. und dem Anfang der 5. Embryonalwoche, also um die 7. Schwangerschaftswoche, beginnt, reagiert der Embryo ausgesprochen sensibel auf von außen auf ihn einwirkende Faktoren. Nun bildet sich jeden Tag eine neue Struktur, ergeben sich wichtige neue Stufen in der Ausbildung der Körperorgane.Sechs bis sieben Wochen nach der letzten Menstruationsblutung ist die Schwangere ziemlich sicher, dass eine Empfängnis eingetreten ist. Ihre Brüste spannen und sie fühlt sich viel müder als sonst. Viele Frauen können jetzt plötzlich den Geruch von Nikotin, Parfüms, von Fleisch oder anderen Speisen nicht mehr ertragen. Manche von ihnen führen zu Hause einen Schwangerschaftstest durch, der in wenigen Minuten anhand des im Harn vorhandenen Schwangerschaftshormons HCG die erfolgte Befruchtung bestätigt.Ab der 4. Embryonalwoche entwickelt sich auch die Körperform des Embryos, das heißt, aus dem scheibenartigen Embryoblasten wird ein rundliches, raupenartiges Gebilde. Das Neuralrohr schließt sich; bleibt der Verschluss aus, entstehen Fehlbildungen im Rückenmarksbereich oder im Gehirn (offener Rücken oder Spina bifida). Der Embryo faltet sich vom Dottersack ab. Am Anfang der 4. Embryonalwoche beträgt die Länge des Embryos circa 2 mm, gegen Ende dieser Woche bereits 5 mm. Der Durchmesser der Fruchtblase vergrößert sich von 2 auf 3,5 cm. Der Embryo schwimmt nun in der Fruchthöhle. Über die vom Amnion bedeckte Nabelschnur ist der Embryo mit dem Mutterkuchen verbunden, der sich aus dem Trophoblasten entwickelt. Von der 5. Embryonalwoche bis zur 8. Woche, das heißt in der 7.—10. Schwangerschaftswoche, bilden sich die Organe aus. Dies geschieht in Stadien, die nach ihrem Beschreiber Carnegie-Stadien genannt werden.Ab dem 4. Monat wird das Ungeborene Fetus genannt. Nach der Organbildung muss er nun vorwiegend wachsen und reifen und die Muskulatur aufbauen. Der im Fruchtwasser bestehende, mit der Schwerelosigkeit vergleichbare Zustand erleichtert das. Etwa ab der 21. Schwangerschaftswoche spüren Erstgebärende erste Bewegungen des Kindes, Mehrfachgebärende schon ab der 18., manchmal sogar schon ab der 16. Woche. Der Fetus nimmt schon am Leben teil: Viele Ungeborene hören zum Beispiel gerne klassische Musik und erschrecken sich bei lauten Geräuschen. Vom Glucksen des Darms und dem Pulsieren der Aorta wird der Fetus in den Schlaf gewiegt. Alle Geräusche dringen durch das Fruchtwasser gedämpft zu ihm vor.Je weiter die Schwangerschaft fortschreitet, umso größer wird das Gewicht und der Bauchumfang der Schwangeren. Trotz der körperlichen Ausnahmesituation sind die meisten Frauen auch bei widrigen Lebensumständen psychisch stabil. In den letzten Wochen der Schwangerschaft haben viele Frauen aber kleinere und größere gesundheitliche Probleme, zum Beispiel Sodbrennen, Rückenschmerzen, Wassereinlagerungen in den Beinen, Krampfadern, Vorwehen, Schlaflosigkeit und Schmerzen durch recht heftige Tritte des Babys. Sie alle führen am Ende der Tragzeit dazu, dass die Schwangere trotz der oft bestehenden Angst vor der Geburt diese geradezu herbeisehnt.Dr. Sabine Schiefenhövel-Barthel und Prof. Dr. Wulf SchiefenhövelWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Geburt: Ein Mensch erblickt das Licht der Welt
Universal-Lexikon. 2012.